»Meine Mutter war immer eine innere Figur für mich geblieben, Teil einer vagen, im Ungefähren angesiedelten Privatvita, die ich mir jenseits politischer und historischer Zusammenhänge erfunden hatte, in einem Niemandsland, in dem ich ein herkunftsloses, wurzelloses Einzelwesen war. Erst sehr viel später begann ich zu begreifen, wer meine Eltern waren und was für einen ›Stoff‹ sie mir hinterlassen hatten.«
Jahrzehntelang blieb Natascha Wodins Suche nach der Geschichte ihrer aus der Ukraine stammenden Mutter erfolglos. Das änderte sich erst, als sie deren Namen 2013 ins russische Internet eingegeben hatte und ihr die Suchmaschine prompt ein Ergebnis lieferte. Allmählich wuchs ihr nicht nur ein Stammbaum zu, der alle ihre Kinderträume übertrifft. Sie musste auch erfahren, wie stark ihre Familie unter den Brutalitäten des 20. Jahrhunderts zu leiden hatte. Dabei erschloss sich ihr der unermessliche Schmerz, der in dem von der Mutter immer wiederholten Satz steckt: »Wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe.«
Natascha Wodin wurde 1945 in Fürth/Bayern als Kind russisch-ukrainischer Zwangsarbeiter geboren und wuchs u. a. in deutschen DP-Lagern auf. Sie übersetzte aus dem Russischen, lebte zeitweise in Moskau und debütierte 1983 mit dem Roman »Die gläserne Stadt«. Für ihre Werke erhielt sie u. a. den Hermann-Hesse-Preis und den Alfred-Döblin-Preis.
Eintritt: 6,- / 5,- EUR
Reservierungen unter 0341 350 59 61
Veranstaltung des Sächsischen Literaturrates e.V. Diese Veranstaltung teilen